Ihr Lieben,
Ich melde mich mit einem kleinen Update, denn auch die Antwort aus dem Saarland ist da. Ihr findet Sie unten auf dieser Seite - absolut lesenswert, denn auch das Saarland kann Tierschutz!
Nach einer zu letzt hier vorgestellten, sehr vielversprechenden Stellungnahme aus Mecklenburg- Vorpommern, trudelte dann die aus meinem eigenen Bundesland ein:
Niedersachsen
Ich habe lange nach einem Wort gesucht, das den Inhalt dieser Stellungnahme beschreiben könnte. Das zutreffendste Adjektiv ist tatsächlich peinlich. Was das selbsternannte Pferdeland hier von sich gibt, kann man wirklich nicht anders bezeichnen. Dieses Bundesland ist absolut nicht auf dem neuesten Stand und es macht den Eindruck, als wäre dieser Beschluss in 5 Minuten verfasst worden, ohne dass sich jemand so richtig mit dem komplexen Thema beschäftigt hat.
Ein paar kurze Einblicke:
„Haus- und Nutztiere sind das Eigentum von natürlichen oder juristischen Personen und sind daher formalrechtlich `Sachgüter`.“
Ja- das kann man so sehen, muss man aber nicht. Gemäß § 90a BGB sind Tiere keine Sachen. Sie werden durch besondere Gesetze geschützt. Der Tierschutz ist im Grundgesetz verankert und hat somit Verfassungsrang, und das seit 2002!
Aber es kommt noch besser:
„Darüber hinaus stellt sich zunächst die Frage, ob Nutztiere, hier insbesondere Pferde, von Feuerwerken tatsächlich in einem Maße gefährdet werden, dass zusätzliche Schutzmaßnahmen erforderlich werden und wenn ja, welche Schutzmaßnahmen geeignet und verhältnismäßig sind.“
Alleine für diese Äußerung sollte man Niedersachsen eigentlich den Titel „Pferdeland“ aberkennen. Unfassbar. Nun wird auch noch ein fast 20 Jahre altes Gerichtsurteil aus Bremen herbeigezogen, das diese Aussage belegen soll:
„Zu dieser Frage gibt es ein einschlägiges Urteil des Oberverwaltungsgerichts Bremen aus dem Jahr 2006, in dem die Klage eines Pferdehalters auf die Untersagung eines Feuerwerks abgewiesen wurde. (…) Das Gericht zieht also erstens in Zweifel, dass die Auswirkungen von in der Nähe durchgeführtem Feuerwerk auf Pferde den objektiven Tatbestand eines tatsächlichen Schadens erfüllt und zweitens, dass wenn das der Fall wäre, es dem Eigentümer obliegt, geeignete Schutzmaßnahmen zu treffen. Im Fall des Silvesterfeuerwerks dürfte eine solche Auslegung erst recht Bestand haben, da der Eintritt des Ereignisses lange genug vorher bekannt ist, um rechtzeitig Maßnahmen zu ergreifen.“
Habt ihr jetzt auch das Bild eines gefesselten und geknebelten Pferdes im Kopf, das sicher in einem Bunker verwahrt wird, weil überall in unmittelbarer Nähe Raketen gezündet werden? Klar- mit „Sachgütern“ kann man das ja machen, 48 Stunden lang.
Offensichtlich hat wirklich niemand meine Ausführungen zum Thema gelesen. Richtig peinlich ist aber, dass sich dieses Gerichtsurteil auf ein lokales, professionell durchgeführtes Feuerwerk bezieht, nicht auf das private an Silvester. Und- jetzt kommt’s: dieses Feuerwerk sollte in 800 Meter Entfernung zum Stall durchgeführt werden, 800 Meter! Kinder, da wären wir doch alle froh!!!
Wir reden hier also über zwei vollkommen unterschiedliche Ausgangssituationen, die nicht miteinander vergleichbar sind. Diese Tatsache wird dann sogar noch dadurch übertroffen, dass zwei weitere Gerichtsurteile zur Begründung des Beschlusses an den Haaren herbei gezogen werden. Eins aus Malta- (hä?) in dem es nicht mal um Tiere geht und auch wieder um ein professionelles Event, genau wie bei dem Urteil des VGH Kassel, das immer wieder gerne zitiert wird, sich aber auch nicht auf privates Feuerwerk bezieht.
Und ja- es stimmt:
„Das Land Niedersachsen ist nicht befugt, für bundesrechtlich geltende Bereiche eigene, landesbezogene Rechtsregelungen zu treffen, die Bundesrecht überregeln oder ihm widersprechen, sofern im jeweiligen Bundesgesetz den Ländern keine entsprechende Ermächtigung erteilt wird, solche eigenen Regelungen zu treffen. (…) Insbesondere kann ein solcher Regelungstatbestand nicht in Form eines „Erlasses“ umgesetzt werden, das wäre schlicht rechtswidrig und würde vor einem Verwaltungsgericht absehbar keinen Bestand haben können.“
Aber auch, wenn dem so ist, kann man sich doch wenigstens mal Gedanken darüber machen, wie man dem Staatsziel Tierschutz auch an Silvester gerecht werden kann, anstatt in Frage zu stellen, was längst hinreichend belegt ist: nämlich das Tiere fühlende Wesen sind, die jedes Jahr an Silvester großes Leid ertragen müssen.
Verlassen wir Niedersachsen lieber ganz schnell und gehen weiter Richtung Norden. Dort macht uns nämlich ein Bundesland vor, wie es geht!
Schleswig Holstein
Ich kann nur sagen, die Stellungnahme dieses Bundeslandes zu lesen war Balsam für die Seele. Zwar lautet der erste Satz „auch wenn viele Gründe für das Anliegen der Petentin sprechen, so ist dieses unter den aktuell gegebenen rechtlichen Voraussetzungen nicht umsetzbar.“
ABER:
„In Schleswig- Holstein wurde jedoch unter Federführung des für das Sprengstoffrecht zuständigen Fachreferats bereits 2023 eine Handlungshilfe für die kommunale Ebene entwickelt. Diese soll als Hilfestellung für die Erstellung von Verwaltungsverfügungen zum Erlass von Abbrennbeschränkungen dienen. In diesem Papier wird der Begriff „unmittelbare Nähe“ konkretisiert. Auch wurden Empfehlungen für Mindestabstände und Verbotszonen ausgesprochen. Dabei wurden auch Tierhaltung, Parks und Tiergehege berücksichtigt. Dieses Papier erläutert die bereits jetzt bestehenden verwaltungsrechtlichen Beschränkungsmöglichkeiten der Kommunen und ist diesem Schreiben als Anlage beigefügt.“
Absolut vorbildlich!!! Sie nehmen sich der Problematik an und schieben die Verantwortung weder nach oben, noch nach unten weiter, sondern versuchen alles mögliche, um die Kommunen in ihrer Verantwortung zu unterstützen! Wir dürfen Euch hier diese Infos zur Verfügung stellen - ein großer Dank an das Land Schleswig-Holstein!
„Solange es auf Bundesebene keine Mehrheiten gibt, um den Verkauf und die Verwendung von Feuerwerkskörpern einzuschränken, verfügen nur die Kommunen über die erforderlichen rechtlichen Handlungskompetenzen, um die von Feuerwerkskörpern ausgehenden Gefahren einzudämmen; und nur Sie als Verantwortliche vor Ort können die tatsächlichen Gefahren adäquat einschätzen.“
Die Behörden vor Ort werden also direkt angesprochen und bekommen dann Handlungshilfen in Form von Musterallgemeinverfügungen und Mustern für das Bekanntgeben von Verbotszonen (Lagepläne/ Schilder). Die Abstände zu brandgefährlichen Gebäuden werden auf 300 Meter festgelegt, weil die Bundesanstalt für Materialprüfung bei Versuchen festgestellt hat, dass eine F2 Rakete unter bestimmten Umständen 180 Meter weit fliegen kann. Bei den brandgefährlichen Gebäuden werden unter anderem auch Landwirtschaftliche Betriebe und Heu- und Strohlager aufgeführt. Was die pyrotechnischen Gegenstände der Kategorie F2 mit ausschließlicher Knallwirkung betrifft, führt Schleswig- Holstein Folgendes aus:
„§24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der 1. SprengV ist eine „Kannvorschrift“ und eröffnet damit einen Ermessensspielraum Feuerwerkskörper mit ausschließlicher Knallwirkung auch in der Silvesternacht zu verbieten, muss dabei jedoch den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit genügen. Ein Verbot kann ausgesprochen werden, wenn dieses im Einzelfall geeignet erscheint, Personen, die in dicht besiedelten Gebieten leben, vor den negativen Auswirkungen auf die psychische und physische Gesundheit zu schützen. Die deutliche Überschreitung der in der TA- Lärm festgelegten Grenzwerte ist dabei als Indiz für von Feuerwerkskörpern mit ausschließlicher Knallwirkung ausgehenden Gesundheitsgefahren zu bewerten. Ergänzend hierzu können auch in weniger dicht besiedelten Gemeinden besonders schutz- und ruhebedürftige Gebiete mit einem Abbrennverbot versehen werden. Neben Kurgebieten, zählen zu den besonders schutzbedürftigen Teilen von Gemeinden insbesondere:
Parkanlagen
Zoologische Gärten
Tierkliniken
Anlagen zur Haltung von Tieren“
Hier sehen wir also, was möglich ist, wenn ein Bundesland seiner Verantwortung den Tieren gegenüber gerecht werden möchte. Wenn das jedes Bundesland so regeln würde, bis endlich auf Bundesebene gehandelt wird, wäre uns allen schonmal sehr geholfen. Vielen Dank für dieses tolle Beispiel! Und was in Schleswig- Holstein geht, das geht auch woanders!
Brandenburg
Auch dieses Bundesland unterstützt mein Anliegen grundsätzlich und weiß um die Nöte der Tiere:
„Eingangs darf Ihnen der Petitionsausschuss versichern, dass er ihr Anliegen gut verstehen kann. So wurden die von Ihnen geschilderten Stressreaktionen bei Feuerwerken wie stressbedingtes Rennen als Angstreaktion und auch das Durchbrechen von Zäunen bei Pferden bereits in Studien belegt. Auch für andere Tiere wurden Stressreaktionen aufgrund von Feuerwerk in Studien belegt.“
(Guck mal, Niedersachsen!)
„Die Staatssekretärin bestätigte gegenüber dem Petitionsausschuss, dass Ihr Anliegen aus tierschutzfachlicher Sicht sehr gut nachvollzogen werden könne und auch begrüßt werde. Es wäre daher im Sinne der Petition sinnvoll, durch eine Änderung des Sprengstoffgesetzes das Abbrennen von Feuerwerk in der Nähe von Pferdehaltungen zu untersagen, um die Tiere vor angst- und stressauslösenden Reizen zu schützen.“
Brandenburg nimmt ebenfalls die Kommunen in die Verantwortung und verweist auf die Möglichkeiten, die ihnen der §24 der SprengV bietet. Vielleicht wäre es ja auch hier möglich, die Behörden vor Ort durch Musterallgemeinverfügungen zu unterstützen- damit wäre vielen Tierhalterinnen und Tierhaltern erstmal sehr geholfen. Danke für diese durch und durch freundliche Stellungnahme aus Brandenburg!
Saarland
Auch die Antwort aus dem Saarland ist da (wir haben einen Auszug daraus hier verlinkt). Und die hat es in sich - in positiver Sicht. Tierschutz ist natürlich zu beachten und das Saarland wird hier seine Kommunen auch nochmals deutlich darauf hinweisen. Und das, obwohl der Tierschutz im Sprengstoffgesetz vergessen wurde. Ein paar Formulierungen aus dem Schreiben, das mich sehr gefreut hat.
Aus tierschutzfachlicher Sicht sind die Belange der Tiere (Recht auf Unversehrtheit) über den Nutzen, welcher vom Abbrennen von Feuerwerk ausgeht, zu stellen.
Und es wird noch besser:
Das Staatsziel Tierschutz, welches seit 2002 im Grundgesetz verankert ist, beinhaltet unter anderem ein Optimierungsgebot. Der Gesetz- und Verordnungsgeber ist verpflichtet, die bestehenden Tierschutznormen anzupassen, sowohl an neue wissenschaftliche Erkenntnisse zur Empfindungs- und Leidensfähigkeit der Tiere als auch an einen etwaigen Wandel der gesellschaftlichen Sensibilität und der ethischen Standards.
Und auch im Saarland kennt man den einschlägigen Paragraphen 16a des Tierschutzgesetzes!
Gemäß § 16a Absatz 1 Satz 1 Tierschutzgesetz kann die zuständige Behörde zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhinderung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen treffen.
Die früheren Updates zu dieser Seite und weitere Infos haben wir zum Nachlesen für Euch bereitgestellt. Klickt hier und erfahrt, was vorher schon passiert ist.
Lieben Dank an alle und herzliche Grüße,
Nicole
Danke an folgende Organisationen und Vereine für Ihre Unterstützung
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