Von Knallfröschen und Feuerteufeln, Teil 2
Es ist immer alles zu irgendetwas gut, soviel steht für mich fest. Also wird auch unser Silvester nicht grundlos so verlaufen sein. Offensichtlich besteht hier Handlungsbedarf und der erste Schritt besteht immer darin, sich umfangreich zu informieren. Und das tun wir. Wir telefonieren mit dem Ordnungsamt und der Polizei, sammeln jede Menge Fakten aus dem Internet und staunen nicht schlecht über die Möglichkeiten, die einer Gemeinde eigentlich zur Verfügung stehen, um die private Böllerei einzuschränken. Auch, dass die Deutsche Umwelthilfe hier schon so aktiv ist und jede Menge Material zur Verfügung stellt, hilft uns sehr. Offensichtlich ist eigentlich alles schon da! Und wir sind bei weitem nicht alleine mit unserem Anliegen.
Noch im Januar verfassen wir einen offenen Brief an den Bürgermeister, dem wir eine Menge Fakten beifügen. Mit diesen wollen wir verdeutlichen, warum es sinnvoll ist, das private Feuerwerk auf öffentliche Plätze zu verlegen und Verbotszonen einzurichten. Etwas, was viele andere Städte und Gemeinden schon lange machen. Wir geben uns gar keine große Mühe, großflächig Unterschriften zu sammeln. Die sind am Ende eher blitzlichtartig quer durch alle Altersgruppen und die ganze Gegend verteilt. Es soll ja keine Petition sein, sondern lediglich ein offener Brief mit einem Appell. Dennoch: es kommen „mal eben so“ 60 Unterschriften zusammen.
Frühling, Sommer, Herbst... Das Jahr nimmt seinen Lauf und wir haben viel zu tun. Und so haben wir erst am 2. November einen Termin in der Bürgermeistersprechstunde. In der Nachbarschaft herrscht das ganze Jahr über Funkstille. Es wird höflich gegrüßt, aber mehr auch nicht. Um ein paar Ecken herum erfahren wir, dass unter anderem alle böse auf uns sind, weil wir nicht mit ihnen im Vorfeld über das Silvesterthema geredet, sondern bloß Zettel eingeworfen haben. Das ist mal wieder ein gutes Beispiel dafür, wie unterschiedlich die Wahrnehmung von Realitäten sein kann. In unserer haben wir eigentlich bei jeder Gelegenheit über das Thema geredet. Es ist bloß nichts angekommen. Das ist dieses „Sender- und- Empfänger- Ding“: offensichtlich liegen wir nicht auf derselben Wellenlänge.
Es dauert eine ganze Weile, bis ich mich an die schlechte Stimmung gewöhne. Ich mag es gerne harmonisch. Aber ich möchte auch zu meinen Werten stehen dürfen und so etwas wie Rücksichtnahme, soziale Verantwortung und Tier- und Umweltschutz sind für mich einfach von zentraler Bedeutung. Und ja: es ist normal, verschieden zu sein und unterschiedliche Meinungen zu haben, aber gerade dann ist es doch wichtig, in einer Gemeinschaft zumindest einen kleinen gemeinsamen Nenner zu haben. Und der sollte sein, dass alle dafür sorgen, dass es den Mitgliedern dieser Gemeinschaft gut geht. Dass sich alle wohlfühlen und geachtet und respektiert werden- wie unterschiedlich sie auch sein mögen und egal, ob Tier oder Mensch. Stichwort Toleranz. Tolerant sein hat in diesem Fall für uns bedeutet: macht Feuerwerk, wenn es so wichtig für euch ist. Aber bitte haltet euch an die Regeln und nehmt Rücksicht auf uns und unsere Tiere, damit niemand zu Schaden kommt. Auf der anderen Seite hätte es bedeuten müssen: Okay, wir verstehen eure Bedenken, möchten aber nicht auf ein Feuerwerk verzichten, also gehen wir weiter weg. Kein Problem. So einfach hätte es sein können. Aber nun ist es, wie es ist.
Das Gespräch mit dem Bürgermeister hat unglaublich gut getan. Er zeigte sich verständnisvoll und hat sich sehr über die Rücksichtslosigkeit unserer Nachbarn gewundert. Die „200- Meter- Regel“ kannte er. Von dem offenen Brief, den Unterlagen und den zahlreichen Unterschriften war er beeindruckt und hat versprochen, sich mit dem Thema zu befassen. Wir haben ihn darum gebeten, die Menschen in der Gemeinde umfassend über die Regeln zu informieren- denn die sind ja eigentlich alle schon da und bloß vielen nicht bekannt- und ihm sogar den Beispielbrief eines anderen Bürgermeisters überlassen. In unserem eigenen ganz konkreten Fall haben wir auf die Notwendigkeit eines offiziellen Schreibens an die Nachbarn hingewiesen, denn das Informieren durch uns hat ja niemand ernst genommen. Einigermaßen beruhigt von diesem positiven Gespräch sind wir nach Hause gefahren. Der Bürgermeister würde sich kümmern, besser ging es doch gar nicht.
Als wir vier Wochen später noch nichts gehört hatten, habe ich nachgefragt. Die Antwort lautete, dass der Leiter des Ordnungsamtes „an dem Thema dran sei.“ Also habe ich mich an ihn gewandt um zu hören, wie der Stand der Dinge ist. Und erfahren, dass genau DAS der Fall ist: das Ding steht, und zwar still, es hat sich keinen Zentimeter bewegt. Ich bekam einen „Dreizeiler“ zurück in dem der Mann mir mitteilte, dass die Gemeinde rechtzeitig eine Pressemitteilung herausgeben wird und der Bürgermeister einen Appell verfassen möchte. Kurz: die Gemeinde würde eigentlich genau dasselbe machen wie jedes Jahr und hoffte einfach, dass es diesmal funktioniert.
Aus dieser knappen Antwort konnten wir zu diesem Zeitpunkt leider nur schließen, dass der Leiter sich nicht wirklich mit dem Thema beschäftigt hat. Zumindest nicht so, wie wir es erwartet hatten. Augenscheinlich hatte er weder den offenen Brief mit den dazugehörigen Unterlagen vollständig gelesen noch unser persönliches Anliegen verstanden. Entsprechend habe ich auf diese Mail geantwortet und ihm noch einmal erklärt, worum es geht und was wir von seiner Behörde erwarten. Schließlich ist das Ordnungsamt gemeinsam mit der Polizei für die Abwehr von Gefahren zuständig. Und schon im Vorjahr hat hier in unseren Augen ein Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz stattgefunden und es war davon auszugehen, dass dies auch in diesem Jahr wieder der Fall sein würde.
Parallel haben wir einen Brief an die zuständige Polizeibehörde geschrieben und unseren Sachverhalt geschildert. Wir wollten gerne wissen, was die Polizei für Möglichkeiten sieht, um uns zu unterstützen. Und es tut mir furchtbar leid, aber nun ist es an der Zeit für einen Ausflug in unser Rechtssystem, es geht nicht anders.
Dieses Rechtssystem hat nicht viel mit Recht oder Unrecht zu tun. Eine Freundin, die lange in einer Kanzlei gearbeitet hat, formulierte einmal sehr treffend: Recht ist eher wie Mathe. Ich verfüge über einen sehr ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und hatte schon häufig mit Rechtsurteilen meine liebe Not. Denn- um mal bei dem Mathebeispiel zu bleiben- es ist zwar so, dass wir viele tolle und in meinen Augen auch eindeutig formulierte Gesetze in diesem Land haben, aber: Während man bei einer Matheaufgabe eigentlich grundsätzlich zum selben Ergebnis kommt, sagen wir mal 1 plus 1 gleich 2, ist das in unserem Rechtssystem leider nicht der Fall. Da kann es auch ganz andere Rechenwege geben, die zu einem komplett anderen Ergebnis führen. Und wer dann „Recht hat“ hängt ganz davon ab, welcher Weg und welches Ergebnis dem Mathelehrer besser gefallen. Und nicht nur das: es wird auch hinterfragt, ob die 1 eigentlich WIRKLICH eine 1 ist oder nicht doch etwas ganz anderes und ob man überhaupt mit ihr rechnen kann.
Rechnen kann man in unserem Rechtssystem in meinen Augen nur mit einem: nämlich damit, dass nichts ist, wie es scheint und dass ein X auch ein U sein kann, je nachdem, wer gerade wann von wo drauf schaut. Das ist eigentlich eher Quantenphysik als Mathematik.
Schauen wir uns vor dieser Kulisse einmal unseren Fall an. Wir wohnen in einem Fachwerkhaus. Im Sprengstoffgesetz steht, dass in unmittelbarer Nähe von Kirchen, Krankenhäusern, Kinder- und Altersheimen sowie besonders brandempfindlichen Gebäuden oder Anlagen das Abbrennen von Feuerwerk verboten ist. Zu diesen gehören auch Reet- und Fachwerkhäuser. Bis 2017 standen sogar nur diese Gebäude in besagtem Paragraphen 23 des Sprengstoffgesetzes drin, dann wurde „Reet- und Fachwerkhäuser“ durch „besonders brandgefährliche Gebäude und Anlagen“ ersetzt, weil eben nicht nur Reet- und Fachwerkhäuser brandgefährlich sind, sondern auch viele andere Bauwerke. Das Land Niedersachsen nennt in diversen Quellen für den Begriff „unmittelbare Nähe“ einen Abstand von 200 Metern, sofern eine Gemeinde nichts anderes festgelegt hat. Für uns bedeutet das: Fachwerkhaus + Feuerwerk = 200 Meter Abstand. Also 1 + 1 = 2.
Was für uns eine ganz simple Rechnung ist, stellte sich schnell als hochgradig kompliziert heraus. Denn die Gemeinde Weyhe hat leider keine Allgemeinverfügung für Silvester. Und somit schien fraglich, ob diese 200 Meter hier überhaupt gelten. Es gelingt dem zuständigen Polizisten nämlich nicht, eine Landesverordnung zu finden, in der dieser Abstand festgelegt wurde. Wohl gibt es Pressemitteilungen des Ministeriums für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit, in denen die 200 Meter genannt werden und zig andere amtliche Bekanntmachungen oder Allgemeinverfügungen von Kommunen in ganz Niedersachsen, die diesen Wert nennen, aber ist das auch rechtssicher ohne ein Gesetz als Grundlage? Und es kommt noch besser: ist unser Haus überhaupt ein Fachwerkhaus? Also selbst wenn diese 200 Meter rechtssicher wären, würden sie dann für unser Haus überhaupt gelten? Also ist die 1 überhaupt eine 1?
Das klingt alles völlig absurd, ich weiß. Denn natürlich ist unser Haus ein Fachwerkhaus. Die Frage ist aber wohl, ob das Sprengstoffgesetz speziell unser Haus meint, wenn dort Fachwerkhaus oder „brandgefährliche Gebäude“ steht. Denn die Fachwerkhäuser wurden 2009 in dieses Gesetz aufgenommen, um historische Altstädte zu schützen. Und da steht unser Haus nicht. Doch ich will ja nicht kleinlich sein, aber es ist nirgendwo die Rede von „historischen Fachwerkhäusern bis zum Baujahr xy“- überall steht schlicht und ergreifend Fachwerkhaus. Und so finde ich auf der Seite des oben genannten Ministeriums folgenden Text:
„In unmittelbarer Nähe von Kirchen, Krankenhäusern, Kinder- und Seniorenheimen und in der Nähe von brandempfindlichen Gebäuden (Reet- und Fachwerkhäuser) ist das Abbrennen von Feuerwerk allerdings auch dann nicht erlaubt. Diese Regelung wurde 2009 vor allem zum Schutz historischer Altstadtbereiche aus Gründen des vorbeugenden Brandschutzes in die Erste Sprengstoffverordnung aufgenommen. Sie gilt aber grundsätzlich für alle Reet- und Fachwerkhäuser, auch außerhalb von historischen Altstadtvierteln.“ (Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit 2015)
Ich mag mich ja irren, aber ich finde das eindeutig. Auch, was die 200 Meter betrifft, sehe ich eigentlich kein Problem. Es obliegt nämlich den Gemeinden, hier Abstände festzulegen und das hat der Gesetzgeber mit voller Absicht so geregelt, damit immer individuell auf die jeweils ortsüblichen Bedürfnisse und baulichen Gegebenheiten eingegangen werden kann. Macht ja auch Sinn. So gibt es nämlich Kommunen, denen die 200 Meter gar nicht reichen. Hier werden sogar 300 Meter Abstand genannt.
Die Deutsche Umwelthilfe hat ein fantastisches Rechtsgutachten erstellen lassen, in dem eine Kanzlei ausgearbeitet hat, welche Möglichkeiten einer Gemeinde zur Verfügung stehen, um das private Feuerwerk an Silvester einzuschränken. Und das sind einige! So bildet zum Beispiel §24 Absatz 2 der Sprengstoffverordnung die rechtliche Grundlage für Allgemeinverfügungen, die dem Schutz besonders brandempfindlicher Gebäude dienen- obwohl diese ja eigentlich schon durch den Paragrafen 23 geschützt sind.
Eine Allgemeinverfügung macht aber dennoch Sinn, denn jede Kommune bekommt so die Gelegenheit, in ihr den Begriff „unmittelbare Nähe“ genau zu definieren und ganz konkret brandgefährliche Gebäude aufzulisten. So werden die ohnehin schon bestehenden Regeln für alle begreifbar. Es werden meist zusätzlich zu den Reet- und Fachwerkhäusern auch Tankstellen, Stallungen oder Holzhäuser und natürlich Scheunen, in denen Heu und Stroh gelagert werden, angeführt.
Was das betrifft, wären wir sogar mehrfach abgesichert, denn hier steht ja nicht nur ein Fachwerkhaus, sondern es gehört auch ein Heulager zu unserem kleinen Ensemble. Und obendrein ist alles aus Holz gebaut. Spätestens bei einem Heulager kann man es drehen und wenden, wie man will: die 1 bleibt eine 1. Scheune plus Heu gleich brandgefährlich.
Im Rechtsgutachten steht übrigens folgender Satz:
„Die Allgemeinverfügung, die aufgrund von §24 Abs. 2 S.1 Nr. 1 der 1. SprengV erlassen werden kann, kann öffentlich bekannt gegeben werden und bedarf keiner weiteren Begründung, vgl. § 39 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG.“
Die Aussage „Eine Allgemeinverfügung ist rechtlich kompliziert und sehr aufwendig“ würde ich deswegen hier gerne einmal ganz naiv in Frage stellen.
Die 200 Meter Abstand werden in der Regel genommen, weil diese für F4 Raketen unter Berücksichtigung von Windstärke bzw -richtung und Abschusswinkel als Mindestabstand angegeben werden. Entsprechend erhöht sich der Abstand dann unter Umständen sogar noch. Da an Silvester aber keine Profis, sondern Laien mit Sprengstoff hantieren (noch dazu meist alkoholisiert) werden für alle Arten von aufsteigenden Feuerwerkskörpern schlicht diese 200 Meter Mindestabstand zu Grunde gelegt, um auf Nummer sicher zu gehen.
Kommen wir jetzt zum leidigen Thema Tierschutz. Wir haben eigentlich ein tolles Tierschutzgesetz, aber das findet im Sprengstoffgesetz leider keinerlei Berücksichtigung. Dabei ist in Paragraph 1 des Tierschutzgesetzes verankert, dass man einem Tier nicht ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen darf. Vielleicht müsste hier noch der Zusatz folgen „außer an Silvester, da darf man“. Denn wie sonst ist es möglich, dass an zwei Tagen im Jahr billigend Tierleid in Kauf genommen wird, um ein- in meinen Augen- völlig entartetes Brauchtum zu pflegen?
Ich nehme euch mal mit auf ein kleines Gedankenspielchen: Volker hat nach Silvester mit dem Veterinäramt telefoniert um einfach mal zu schildern, was hier so los war, was unseren Tieren angetan wurde und um zu hören, wie das Veterinäramt dazu steht. Ergebnis: Ja, das ist alles doof, aber da kann man leider nichts machen, ist ja Silvester. Ist also „das Recht auf Böllern“ bedeutender, als der Tierschutz? Kann ein Gesetz ein anderes aushebeln? Und jetzt stellt euch mal folgendes vor, nur so zum Spaß: wenn wir einen Tierversuch starten wollen würden, in dem wir untersuchen möchten, wie sich Feuerwerk auf Pferde auswirkt, dann müssten wir dafür einen Antrag stellen. Wir bräuchten eine Genehmigung dafür, dass wir Raketen in der Nähe von Pferden zünden dürfen. Diese würden wir niemals bekommen, weil das für die Tiere eine unzumutbare Belastung darstellen würde und somit ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz vorläge. Oder noch simpler: wenn wir hier am 31.12. oder 1.1. auf unserem Grundstück ein Feuerwerk veranstalten würden, das unsere Tiere in Panik versetzt und ein Nachbar würde das beobachten, dann könnte er uns wegen Tierwohlgefährdung beim Veterinäramt anzeigen und dieses müsste der Anzeige nachgehen. Wenn aber 10 Meter weiter genau dieser Nachbar das gleiche macht und wir beim Veterinäramt anrufen, dann passiert einfach gar nichts, ist ja Silvester. Und wieder höre ich die Stimme meiner Schwägerin: „Finde den Fehler“.
Wir sind als Tierhalter, bzw Tierhalterin, dafür zuständig, für das Wohl unserer Tiere zu sorgen, die sich in unserer Obhut befinden. Auch das ist gesetzlich festgehalten. Aber wie sollen wir das unter diesen Umständen an Silvester bewerkstelligen, kann mir das mal jemand verraten? Am Ende verstoßen wir gar noch selber gegen ein Gesetz, weil wir unsere Tiere nicht vor diesem Terror schützen können und müssen uns streng genommen selber beim Veterinäramt anzeigen. Vielleicht würde das mal ein paar Menschen wach rütteln, weil es die Absurdität des Ganzen aufzeigen würde. Wäre einen Versuch wert.
Einige Kommunen gehen schon mit gutem Beispiel voran und nehmen den Tierschutz indirekt in ihre Allgemeinverfügungen mit auf. Sie führen Stallungen, Tiergehege, Tierheime oder Weidetierhaltung mit an in der Liste der Bereiche, in deren unmittelbarer Nähe Feuerwerk ganzjährig verboten ist. Hierbei können sie sich im Zweifelsfall auf den oben genannten Paragraphen 24 Absatz 2 berufen, denn wo Tiere gehalten werden, wird in der Regel auch immer Heu oder Stroh gelagert und das ist brandgefährlich.
In Paragraph 1 des Tierschutzgesetzes steht:
„Zweck dieses Gesetzes ist es, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.“
Und das sollte doch eigentlich Grundlage und Anlass genug für jede Kommune sein, zu handeln, oder?
Dann wäre da noch das Thema Müll. Natürlich gibt es auch hierfür strenge Gesetze, die es verbieten, seinen Müll irgendwo in der Landschaft zu entsorgen. Doch an Silvester landen Unmengen an Müll überall in der Natur auf Wiesen, Äckern, in Wäldern oder Gewässern. Wenn eine Rakete explodiert, fliegen kleinste Partikel unauffindbar überall hin und verstreuen sich weit. Unmöglich, dass alles einzusammeln. Die meisten Menschen fegen- wenn überhaupt- nur dort, wo sie ihr Feuerwerk gezündet haben. Dass der Müll aber ganz woanders landet interessiert sie nicht. Aus den Augen, aus dem Sinn. Auch der Punkt „Umweltverschmutzung“ könnte also durchaus in Allgemeinverfügungen aufgenommen werden.
In einer Pressemitteilung des Ministeriums für Ernährung, ländlichen Raum und Verbraucherschutz des Landes Baden- Württemberg steht dazu Folgendes:
„Selbstverständlich sollte es auch sein, abgebrannte Feuerwerkskörper, Mehrschussbatterien oder Böller sach- und fachgerecht zu entsorgen. Sie enthalten zahlreiche Chemikalien, die vor allem bei einsetzendem Regen und tauendem Schnee in unser sensibles Ökosystem gelangen. Feuerwerksmüll ist nicht nur eine Belastung für unsere Böden, sondern stellt auch eine Gefahr für Haus-, Wild- und Nutztiere dar, wenn diese daran knabbern und sich vergiften. Die Plastikreste oder Scherben gefährden die Gesundheit der Tiere und führen darüber hinaus zu einem erheblichen wirtschaftlichen Schaden für die Landwirte. `Silvestermüll hat in der freien Landschaft nichts verloren. Ein Feuerwerk sollte nur dort gezündet werden, wo die Reste vollständig aufgesammelt und entsorgt werden können. Wenn sich alle hieran daran halten, können wir gemeinsam verantwortungsvoll in ein gutes neues Jahr starten`, sagte Minister Hauk.“
Mein Fazit: Das die Kommunen vieles selber regeln dürfen, ist in meinen Augen eigentlich eher ein Segen, als ein Fluch. Auch, wenn viele Zuständige oder Verantwortliche das Ganze lieber „von oben“ geregelt hätten, weil es für sie einfacher wäre. Aber solange es kein generelles Böllerverbot gibt, gibt es auch kein „von oben“. Die Kommunen sind selber in der Verantwortung, sich eingehend mit dem Thema zu beschäftigen- und zwar unter Berücksichtigung ALLER Aspekte, die mit hinein fließen- so komplex sie auch sein mögen, es ist schlicht und ergreifend ihre Pflicht.
Beenden wir hiermit den kleinen Ausflug in unser Rechtssystem und fassen noch einmal zusammen, dass es eigentlich viele gute Gesetzesgrundlagen und Möglichkeiten gibt. Es hapert lediglich an der Umsetzung, beziehungsweise am Vollzug. Nur auf den Begriff „Zumutbarkeit“ möchte ich hier noch kurz eingehen, weil unsere Rechtssprechung diesen Begriff so toll findet.
Es wird nämlich immer geprüft, ob eine Regelung auch „zumutbar“ ist. Oder „verhältnismäßig“. In Bezug auf die Abstandsregel wäre also die Frage: „Ist es zumutbar, dass jemand, der Feuerwerk machen möchte, 200 Meter weit weg geht, wenn damit ein Schaden verhindert werden kann?“ Also ich weiß ja nicht, wie ihr das seht, aber ich würde diese Frage ganz klar mit einem „Ja“ beantworten. Aber was weiß ich denn schon, für mich ist ja auch 1 plus 1 ganz einfach 2.
Auf den Jahreswechsel 2023/24 möchte ich hier nun gar nicht näher eingehen, ihr habt genug gelesen. Wir haben ein aussagekräftiges Video zusammengestellt und diese Bilder sagen mehr als tausend Worte. Wenn ihr den Film anschaut, haltet euch bitte noch einmal vor Augen, dass dies alles geschehen ist, obwohl wir unsere Nachbarn um Rücksichtnahme gebeten haben und obwohl Polizei, Ordnungsamt und Bürgermeister informiert waren- und obwohl es Gesetze gibt, die ein derartiges Handeln eigentlich verbieten.
Außerdem war Hochwasser und vielen Menschen stand das Wasser buchstäblich bis zum Hals, die Feuerwehr war in vielen Gebieten seit Weihnachten unermüdlich im Einsatz. Und natürlich waren auch die Wildtiere extrem davon betroffen. Deswegen gab es in manchen Gemeinden sogar ein Böllerverbot und viele andere haben zumindest an ihre Schäfchen appelliert, doch bitte in diesem Jahr auf Feuerwerk zu verzichten, um die Tiere und die Feuerwehr nicht noch mehr zu belasten.
Unsere Pferde haben vier Wochen lang pflanzliche Beruhigungsmittel bekommen und tragen Ohrstöpsel. Die Ohren haben wir noch zusätzlich dick zu getaped, damit sie die Stöpsel nicht verlieren können und um das empfindliche Gehör noch etwas mehr vor den Knalleffekten zu schützen. Sie mussten die Stöpsel 7 Stunden lang tragen. Das „Hauptfeuerwerk“ in ihrer unmittelbaren Nähe dauerte eine geschlagene Stunde. Denken wir an dieser Stelle noch einmal kurz an den Begriff „Zumutbarkeit“.
Schließen möchte ich meine kleinen Ausführungen gerne mit meinem Lieblingszitat von Gandhi:
„Die Größe und den moralischen Fortschritt einer Nation kann man daran messen, wie sie ihre Tiere behandeln.“
Und nun ersetzt den Begriff „Nation“ durch „Gemeinde“ oder „Menschen“ und lest das Zitat noch einmal, bevor ihr euch das Video anschaut.