Die drei Affen und der vierte

Wer kennt sie nicht, die drei Affen, die das „Nicht- Hören“, „Nicht- Sehen“ und „Nicht- Sagen“ symbolisieren. Wir schauen weg, wenn irgendwo Unrecht geschieht, wollen nichts davon hören und schweigen dazu. Ich würde diesen drei Affen noch einen vierten hinzufügen: einen Affen mit verschlossenem Herzen, der für das „Nicht- Fühlen“ steht. Denn auch darin sind wir Menschen gut. Zusammenfassend würde ich das Ganze als ein „Nicht- Wahrnehmen- wollen“ bezeichnen. Diese Einstellung im Kollektiv angewandt kombiniert mit einer großen Portion Egoismus hat uns diverse Kriege, den Klimawandel und das Artensterben eingebracht und immer noch hält der Großteil der Menschheit an dieser Taktik fest. Menschen lieben ihre Komfortzone, Veränderungen und Gefühle machen uns Angst, sie lassen sich so furchtbar schlecht kontrollieren.

Was hat das mit meiner Petition zu tun? Ganz einfach: Die vier Affen sind auch in der Pferdewelt anzutreffen- und zwar überall, sie fühlen sich hier richtig wohl, weil sie ständig gefüttert werden. Pferde und Menschen verbindet eine lange gemeinsame Geschichte, kein anderes Tier hat die Entwicklung der Menschheit so maßgeblich begleitet und geprägt, wie das Pferd. Und es ist einfach unglaublich, was wir diesen Tieren immer noch antun, obwohl wir es doch eigentlich längst besser wissen müssten. Die natürlichen Bedürfnisse dieser wundervollen Geschöpfe sind hinreichend erforscht und belegt und auch ausreichend publiziert- doch wenn man sich so umschaut, bekommt man schnell das Gefühl, dass dies die wenigsten Pferdemenschen interessiert. Wie sonst ist es zu erklären, dass psychische oder physische Gewalt an Reitställen und auf Turnierplätzen immer noch an der Tagesordnung ist? Sie ist so sehr in den Alltag integriert, dass sie als „normal“ angesehen wird. Hier mal ein Knuff mit dem Sporen, dort mal ein Klaps mit der Gerte, verbale Kraftausdrücke im Reitunterricht, die Verwendung von Ausbindern- alles normal. Es ist schon vorgekommen, dass bei Seminaren, in denen mit einem Pferd nach der Alphatiermethode im Roundpen gearbeitet wurde, vollkommen Unbeteiligte, die nicht zur Pferdeszene gehören, sofort gesehen haben, dass das Pferd Stress hat und Angst empfindet, während die Pferdeleute die Signale des Pferdes als gewünschte Unterwerfungsgesten interpretieren und dem Trainer applaudieren.

Es ist also normal, dass wir nicht hören oder sehen wollen, was die Pferde uns mitteilen und hineinfühlen in diese sensiblen Tiere möchten wir uns lieber auch nicht. Denn wer weiß? Vielleicht würden wir dann spüren, dass unser Pferd gar nicht glücklich ist, dass seine „Widersetzlichkeit“ ein Hilferuf ist oder dass es am Ende gar nicht geritten werden möchte. Alles würde sich dann verändern. Wir müssten unser Handeln und uns selbst hinterfragen, um unserem Pferd gerecht zu werden und es würde bedeuten, dass wir nicht mehr so weitermachen könnten, wie bisher. Denn wenn man sich einmal entschieden hat, die Dinge wahrzunehmen, in ihrer ganzen Intensität, dann kann man plötzlich auch nicht mehr schweigen. Dann verspürt man auf einmal das Bedürfnis, etwas zu sagen, wenn jemand sein Pferd schlecht behandelt und das heißt, in die Auseinandersetzung gehen zu müssen. Auch seine eigenen Pferde muss man dann manchmal beschützen oder dafür sorgen, dass ihre Bedürfnisse von anderen gesehen und respektiert werden. Und das ist anstrengend. Doch unsere Pferde haben ein Recht darauf, sich wohl bei uns zu fühlen und Wohlbefinden bedeutet mehr, als die Abwesenheit von Hunger, Durst oder Schmerzen!

In Deutschland leben ungefähr 1,3 Millionen Pferde und knapp 4 Millionen Menschen reiten regelmäßig. Wenn sie es sich finanziell leisten könnten, wären es sicherlich noch mehr. Alleine in Niedersachsen sind knapp 250.000 Pferde registriert. Bei all den Zahlen dachte ich, für eine Petition zum Wohle der Pferde, die wir ja alle so lieben, lächerliche 5000 Unterschriften zusammen zu bekommen, wird ein Kinderspiel. Ich glaubte, die Petition geht online und nach spätestens zwei Tagen wäre das Ziel erreicht. Doch ich hatte nicht an die vier Affen gedacht, die da in der Pferdewelt ihr Unwesen treiben. Das Lieblingsfutter dieser Affen ist Angst und Bequemlichkeit- und davon gibt es hier eine ganze Menge.

Da gab es zum Beispiel die Angst davor, dass es dann Komplikationen mit den Nachbarn geben könnte, wenn die Silvester plötzlich Rücksicht nehmen und weiter weg gehen müssen, damit die Pferde nicht in Panik geraten. Oder die Sorge, dass dann alle Pyrotechnikfreunde böse auf die Reiterwelt und auf die Pferde sind und den Pferden die „Schuld“ gegeben wird. Die Schuld woran? Machen die Pferde sich schuldig, weil sie es wagen, panisch zu reagieren? Schuldig, weil sie Bedürfnisse und ein Recht auf Unversehrtheit haben? Schuldig, weil sie die Menschen daran erinnern, dass sie nicht alleine auf diesem Planeten sind? Niemand ist an irgendetwas Schuld, das sei hier mal gesagt, es geht lediglich um Rücksichtnahme und ein soziales Miteinander, in dem ALLE gesehen werden, auch die Tiere.

Und es ist doch so: es gibt längst die Gesetze, die vorschreiben, dass Abstände eingehalten werden müssen, das könnt ihr an anderer Stelle auf dieser Homepage ausführlich nachlesen. Und es gibt auch das Tierschutzgesetz, das an Silvester genauso gilt, wie an jedem anderen Tag im Jahr. In meiner Petition geht es lediglich darum, geltendes Recht so anzuwenden, dass den Tieren der Schutz, der ihnen zusteht, auch gewährt wird. Nicht mehr- aber eben auch nicht weniger.

Manche der an mich herangetragenen Ängste waren absolut begreifbar und nachvollziehbar- wie zum Beispiel die vor den Konflikten in der Nachbarschaft, von denen wir persönlich ja auch ein Lied singen können. Aber gerade hier liegt doch die Lösung des Problems in einer Anordnung „von oben“, denn damit wird die persönliche Ebene herausgenommen. Genauso, wie es Stoppschilder oder rote Ampeln gibt, existieren auch Abstandsregeln zu brandgefährlichen Gebäuden, das weiß bloß kaum jemand und es müssen genaue Meterangaben her. Andere Ängste waren eher kreativer Natur, wie zum Beispiel die, dass dann behördlich bislang geduldete, aber eigentlich „illegale“ Pferdehaltung auffliegen könnte, beziehungsweise von vornherein weniger Pferdehaltung genehmigt werden würde. Ich habe versucht, diese Gedanken logisch nachzuvollziehen aber es tut mir leid: es ist mir nicht gelungen. Man kann Pferde nicht heimlich bei sich wohnen lassen und ganz sicher wird auch die Genehmigung oder Duldung eines Pferdestalls nicht daran scheitern, dass dann an Silvester in dessen Nähe kein Feuerwerk gezündet werden darf.

Neben all den Ängsten gab es auch Einstellungen, die ich eher der Bequemlichkeit zuordnen würde: Petitionen werden grundsätzlich nicht unterschrieben, denn wo fängst man da an und wo hört man auf? Auch Aussagen wie `meine Pferde betrifft das ja nicht, ich wohne weit außerhalb und habe mehrere Hektar Land` fallen unter diese Kategorie.

Aber am erstaunlichsten fand ich die Tatsache, dass einige Pferdeleute selber gerne Feuerwerk machen. Eine Bekannte hat mir von einer Stallbesitzerin erzählt, die an Silvester die eigenen Pferde schonen wollte und mit ihren Gästen etwas weiter weg gegangen ist, um dort Pyrotechnik abzubrennen. Und zwar genau neben den benachbarten Offenstall, denn „Offenstallpferde sind ja schließlich Action gewöhnt“. Diese Offenstallpferde sind aber panisch hin und her gerannt und drei davon mussten anschließend vom Tierarzt behandelt werden- eine langwierige Sehnenverletzung war auch dabei. Derart ignorante Menschen sollten eigentlich keine eigenen Pferde halten dürfen, denn ganz offensichtlich haben sie nicht verstanden, dass Pferde fühlende Wesen und Fluchttiere sind- und zwar ALLE Pferde.

Dann gibt es noch die, die sich von anderen weis machen lassen, sie hätten ihr Pferd „schlecht erzogen“, wenn es Silvester Angst hat. Als ob man Silvester üben könnte. Wie soll das Bitteschön funktionieren? Man kann ein Pferd an laute Geräusche gewöhnen, auch an Feuer oder Licht. Aber genau so wenig, wie ein Manöver der Bundeswehr einen Soldaten auf eine echte Kriegssituation vorbereiten kann, ist es möglich, die Tiere auf die Reizüberflutung und die empfundene Todesangst in einer Silvesternacht vorzubereiten!

Viele Pferdeleute denken außerdem, dass die Pferde halt einmal im Jahr „da durch müssen“. Dann laufen sie eben mal ein bisschen panisch im Kreis, ist doch nicht schlimm. Auch diese Menschen sollten sich lieber ein Hobby suchen, in dem fühlende Wesen keine Rolle spielen, denn dieses „Da- Durch- Müssen“ findet sich aller Wahrscheinlichkeit nach auch in ihrem alltäglichen Umgang mit Pferden oder anderen Lebewesen wieder.

Einige haben nicht unterschrieben, weil sie für ein generelles Böllerverbot sind und ihnen die Petition zum Schutz der Pferde zu eng gefasst war. Dabei ging es hier nicht um ein „Entweder- Oder“ sondern um ein „Sowohl- Als - Auch“. Wir haben an diversen Stellen darauf hingewiesen, dass selbstverständlich eine grundsätzliche Änderung des Sprengstoffgesetzes angestrebt werden sollte, aber da auf Bundesebene einfach nichts geschieht, jetzt zunächst in anderen Bahnen gedacht werden muss, um einen schnelleren Schutz für die Tiere zu erreichen. Dazu hätte aber der eine oder andere zusätzliche Text gelesen werden müssen und eine tiefere Betrachtung der komplexen Thematik wäre nötig gewesen- womit wir wieder beim Punkt Bequemlichkeit angelangt wären.

Fakt ist: die „normalen“ Natur- und Tierschützer*innen haben diese Petition von Anfang an mehr unterstützt als die Pferdewelt. Das passt zu dem Beispiel aus dem Roundpen von oben. Die vier Affen sind hier einfach zu präsent und viele haben sich so an ihre Gegenwart gewöhnt, dass sie ihnen gar nicht mehr auffallen.

Trotzdem haben sich natürlich auch viele Pferdemenschen für das Wohl ihrer Schützlinge eingesetzt und sich über diese Petition gefreut, doch es waren wirklich erstaunlich wenig wenn man bedenkt, wieviele Mitglieder all die Verbände und Vereine haben, die ich angeschrieben habe, oder wieviele zig Tausend Follower in den ganzen Facebookgruppen unterwegs sind.

Gerade denke ich: das Bild von dem vierten Affen mit dem verschlossenen Herzen passt irgendwie nicht so richtig. Eigentlich müsste dieser Affe sich doch die Hände aufs Herz legen- so wie die anderen sich den Mund, die Ohren und die Augen halten. Diese symbolträchtige Geste hat viele Bedeutungen. Grundsätzlich steht das Herz für Gefühle, vor allem für die Liebe. Die mag dieser Affe ganz besonders gerne. Und „Hand aufs Herz“ bedeutet soviel wie: heraus mit der Wahrheit! Es kann aber auch sein, dass mir das Herz weh tut und ich deswegen meine Hände dorthin lege. Vielleicht möchte ich auch einfach nur meinen Herzschlag spüren. Oder aber ich „fasse mir ein Herz“, das steht für mutig sein oder sich überwinden, etwas zu tun. Und jetzt passt es doch:

Dieser vierte Affe könnte am Ende der sein, der die anderen drei entmachtet! Er muss nur immer genug von seinem Lieblingsfutter bekommen, damit er größer und stärker ist als sie.